Vor 80 Jahren – Kriegsende und Neubeginn

Vor 80 Jahren – Kriegsende und Neubeginn

Sehr gut besucht war die Veranstaltung des Geschichtsvereins Weißenthurm am 26. Juni zum Austauschen von Erinnerungen an Kriegsende und Neubeginn vor 80 Jahren.

Über 40 Gäste fanden sich im Restaurant Aga ein, um unter Moderation des bekannten Koblenzer Heimatgeschichtlers Manfred Gniffke ihre persönlichen Erlebnisse oder die ihrer Eltern beizutragen.

Zunächst schilderte Gniffke sein Alltagsleben am Kriegsende, das so alltäglich gar nicht war: Bombenangriffe in denen die Kernstadt Koblenz zu 80 % zerstört wurde, Evakuierung nach Thüringen und, nach Krieg und Heimkehr Versorgungsängste, Tauschhandel und Mangelwirtschaft in den Familien, aber auch kreative Spielplätze in den Kriegstrümmern für Kinder mit teilweise schweren Verletzungen, wenn zum Beispiel noch Munition gefunden wurde.

In kleinerem Maßstab fand dies alles auch in Weißenthurm statt.

Wegen der alliierten Fliegerangriffe auf die Weißenthurm-Neuwieder Rheinbrücke und die Eisenbahnbrücke über die Wied in Irlich fielen auch im nördlichen Weißenthurm zahlreiche Bomben. Der heftigste Angriff fand in der Neujahrsnacht 1944/45 statt.

Zerstört wurden in dieser Nacht die Ammoniakleitungen in der Nette-Brauerei. Mehr als 80 Personen – Schutzsuchende Nachbarn, aber auch kriegsgefangen Zwangsarbeiter – erstickten in den Kellern der Brauerei.

Schutz vor Bombenangriffen boten auch der Bunker in Neuwied, der erst in der Sechziger-Jahren endgültig gesprengt wurde und ein in den Hang gegenüber der Kirche in den Berg getriebener Stollen. Erst nach Zerstörung der Rheinbrücke Anfang März endeten die Bombenangriffe.

Nun aber drohten neue Gefahren. Heftige Gefechte und Bombenangriffe begleiteten den Rückzug der deutschen Soldaten und das Nachrücken der amerikanischen Truppen durch Weißenthurm. Tiefflieger nahmen z.B. junge deutsche Soldaten aufs Korn, die trotz Beschuss auf Befehl weiter über die Hauptstraße marschierten und fast alle ihr Leben verloren.

Unvergessen bleiben soll die mutige Tat des damals 13-jährigen Franz Weber, der unmittelbar vor dem Einmarsch der siegreichen Amerikaner auf den Kirchturm kletterte und ein Betttuch als weiße Fahne hisste. Selbst in dieser Zeit gab es noch „linientreue“ Mitbürger, die den Halbwüchsigen zur Rede stellten und mit Konsequenzen drohten.

Manche Erzählung handelte von der Besatzung durch die Siegermächte und die Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen. Weißenthurm gehörte zur französischen Zone.

Waren die zuerst eingerückten Amerikaner durchweg fair und freundlich zu Kindern, so zeigten die später nachrückenden Franzosen ein härteres und unangenehmeres, z.T. Auch rachsüchtiges Verhalaten. Aber sie hatten ja auch den deutschen Angriff und die deutsche Besatzung in ihrem Land erlebt.

Umso schöner ist, dass später in der deutsch-französischen Zusammenarbeit und in Städtepartnerschaften wie zwischen Weißenthurm und der französischen Stadt Courrières ein neues Kapitel der Freundschaft aufgeschlagen werden konnte.

Auch im Nachkriegs-Weißenthurm war die Lage wie von Gniffke beschrieben: Verletzungen spielender Kinder durch sogenannte „Blindgänger“, Versorgungsängste der Familien und ein ganz besonderer Tauschhandel: Die Blechwarenfabrik „bezahlte“ ihre Arbeiter mit Konservendosen. Diese wurden in der Pfalz gegen dort angebauten Tabak und dann in der Eifel gegen Speck oder Eier getauscht. Mancher, der nach mehrtägiger Hamsterfahrt erschöpft und stolz nach Hause kam, wurde durch kontrollierende französische Soldaten um den Lohn seiner Mühen gebracht.

Großen Applaus erhielt Manfred Gniffke für seine trotz allem humorvollen, lebensnahen Schilderungen. Besondere Zustimmung erhielt die älteste Teilnehmerin Frau Gisela Rössler, geb. Krethen, die im hohen Alter von 93 Jahren als Zeitzeugin in der Realschule plus ihre persönlichen Erinnerungen mit den Schülern und Schülerinnen teilt und so einen wichtigen Beitrag zur Friedenserziehung leistet.

Wie kostbar Friede ist war die Quintessenz dieser Veranstaltung.
Zum Abschluss hat der Geschichtsverein eine große Bitte: „Die persönlichen Erinnerungen an Krieg und Nachkriegszeit sind wichtig und müssen dokumentiert werden. Teilen Sie dem Geschichtsverein Ihre Erlebnisse und Erinnerungen mit. Kommen Sie auf den Vorstand zu, schreiben Sie einen kleinen Text oder stehen Sie für ein Interview zur Verfügung, damit diese Zeit von Leid, Tod und Neubeginn mit ihren Lehren für alle nicht vergessen wird!“